Die fünf Sicherheitsregeln

1. Freischalten

Als “Freischalten” bezeichnet man das allpolige und allseitige Trennen einer elektrischen Anlage von spannungsführenden Teilen. Dabei ist zwischen spannungsführendem und spannungslosem Anlagenteil eine je nach Betriebsspannung unterschiedlich lange Trennstrecke herzustellen.

Aus Sicherheitsgründen muss bei Arbeiten an elektrischen Betriebsmitteln ab einer bestimmten Betriebsspannung bzw. Betriebsstrom stets freigeschaltet werden, sofern keine besonderen Maßnahmen zum Arbeiten unter Spannung getroffen werden. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz liegt es bei 50 V Wechselspannung beziehungsweise 120 V Gleichspannung, in der Schweiz zusätzlich bei Strömen über 2 A (Niederspannungs-Installationsverordnung, NIV).

Das Freischalten kann durch das Betätigen von Hauptschaltern, das fachgerechte Entfernen von Sicherungen, das Ziehen von Steckverbindungen, in Hochspannungsanlagen durch dafür vorgesehene Trennschalter erfolgen. Schaltet der Arbeitende nicht selbst frei, wie dies in manchen Fällen in Hochspannungsanlagen der Fall ist, und die Freischaltung wird von einer Leitstelle per Fernsteuerung ausgelöst, darf mit der Arbeit erst begonnen werden, wenn die mündliche, fernmündliche, schriftliche oder fernschriftliche Bestätigung der Freischaltung vorliegt. Die Vereinbarung eines Zeitpunktes, zu dem freigeschaltet werden soll, ist nicht zulässig.

2. Gegen Wiedereinschalten sichern

 Um zu vermeiden, dass eine Anlage, an der gerade gearbeitet wird, irrtümlich wieder eingeschaltet wird, muss ein Wiedereinschalten zuverlässig verhindert werden und mit einem Verbotsschild vor Wiedereinschalten darauf hingewiesen werden. Dazu werden beispielsweise im Bereich des Niederspannungsnetzes die herausgedrehten Sicherungen durch abschließbare Sperrelemente ersetzt. So möglich muss der Hauptschalter, Schaltschrank oder Sicherungskasten abgeschlossen werden. Wenn eine für Laien frei zugängliche Abschaltvorrichtung lediglich mit einem Klebeschild oder einfachen Hinweisschild „gesichert“ wird, typischerweise ist dies der Bereich der Unterverteilung wie dem Sicherungskasten im Haushalt, gilt dies in Deutschland als grob fahrlässig. Das Wiedereinschalten darf in Bereichen, welche für Laien zugänglich sind, nur durch Nutzung von zusätzlichem Werkzeug möglich sein. Ein Leitungsschutzschalter sollte daher grundsätzlich durch das Abklemmen der abgehenden Leitung oder durch eine Schaltsperre gegen Einschalten gesichert werden.

Befindet sich die Schalteinrichtung in einem abgeschlossenen Bereich, Raum oder Areal, der nur für Elektrofachkräfte zugänglich ist – dies ist bei Anlagen mit Hochspannung immer der Fall – gilt es als ausreichend, für die Dauer der Arbeiten ein Verbotsschild gegen Wiedereinschalten anzubringen. Dieses Schild sollte auch die Information umfassen, wer berechtigt ist, dieses Verbotsschild nach Ende der Arbeiten zu entfernen. Besser ist es jedoch, die Schalteinrichtung zusätzlich mit mechanischen Hilfsmitteln (wie z. B. Arbeitsschutz-Schlössern, Hauptschalter-, Schutzschalter- oder Stecker-Verriegelungen) gegen das Wiedereinschalten zu sichern. In ferngesteuerten Hochspannungsanlagen erfolgt im Bereich der Steuerung durch eine Konfiguration das Setzen einer virtuellen Schaltsperre, die dem Operator in der Leitstelle das Verbot zum Einschalten anzeigt.

3. Spannungsfreiheit feststellen

Die vor Ort tätige Person muss durch geeignete Mess-/Prüfmittel wie den Spannungsprüfer die allpolige Spannungsfreiheit feststellen. Dieses ist insofern wichtig, als dass auf diese Weise festgestellt wird, ob durch elektrische Geräte (z. B. Frequenzumrichter) noch Restspannung vorhanden ist oder sogar versehentlich die falsche Leitung freigeschaltet wurde.

Bei Spannungsprüfern für Anlagen bis 1 kV handelt es sich um zweipolige Ausführungen (mit Glimmlampe und Tauchspulmesswerk; mit Glimmlampe und Drehspulmesswerk; mit Leuchtdioden und Funktionstest). Eine vorhandene Spannung wird entweder durch eine aufleuchtende Glimmlampe, durch ein Messgerät oder durch Leuchtdioden angezeigt. Mit diesen Geräten lässt sich auch die Spannungshöhe der Anlage ermitteln. Neuere Prüfgeräte besitzen einen Unwuchtmotor, dessen Frequenz von der zu messenden Spannungshöhe abhängig ist.

Spannungsprüfer für Anlagen mit Nennspannungen über 1 kV sind einpolig. Das Messgerät ist typischerweise in Form einer bis zu mehreren Metern langen, elektrisch isolierten Lanze ausgeführt, welche händisch an die Hochspannungsleiter herangeführt wird. Mittels kapazitiver Spannungsteilung wird optisch und akustisch durch eine in der Lanze angebrachte Prüfschaltung das Vorhandensein der Hochspannung angezeigt. Die Verwendung von Niederspannungsmessgeräten wie Multimeter und andere Prüf- und Messgeräte der Messkategorien CAT I bis IV ist wegen der hohen Unfallgefahr in Hochspannungsanlagen untersagt.

Die eingesetzten Spannungsprüfer sind vor und nach Benutzung an einer definitiv spannungsführenden Quelle auf Funktionalität zu testen. Vorher, weil der Spannungsprüfer defekt sein könnte, und danach, weil er bei der Benutzung einen Defekt erlitten haben könnte. Einpolige Hochspannungsprüfer für Nennspannungen über 1 kV besitzen eine eingebaute Testeinrichtung, wodurch der Funktionstest vereinfacht wird.

Werden in energietechnischen Anlagen einschaltkurzschlussfeste Schnellerder eingesetzt wie z. B. federgesteuerte Erdungstrenner in Schaltanlagen, so gilt die Betätigung des Erders als „Feststellen der Spannungsfreiheit“.

4. Erden und Kurzschließen

Nach Feststellen der Spannungsfreiheit werden die Leiter und die Erdungsanlage mit kurzschlussfesten Erdungs- und Kurzschließvorrichtungen wie beispielsweise einer Erdungsstange miteinander verbunden. Diese Maßnahme bewirkt, dass bei irrtümlichem Einschalten die vorgeschalteten Überstromschutzeinrichtungen auslösen und dass sich parallel liegende Leitungen, wie beispielsweise bei Freileitungen, nicht durch die kapazitive Kopplung oder durch die Influenz atmosphärisch aufladen. Die Ausführung der Erdverbindung sollte, so sie mit beweglichen Einrichtungen wie der Erdungsstange ausgeführt wird, in der Nähe und im Sichtbereich der Arbeitsstelle liegen.

Zu beachten ist auch, dass zuerst geerdet und danach kurzgeschlossen wird. In Anlagen mit Niederspannung, mit Ausnahme von Freileitungen und Verteilernetzen, darf das Erden und Kurzschließen unterbleiben, wenn die Regeln 1 bis 3 vorschriftsmäßig durchgeführt wurden (Schweiz: Nur dann, „wenn keine Gefahr von Spannungsübertragung oder Rückeinspeisung besteht“, vgl. Art. 72 Abs. 4 Starkstromverordnung).

5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Bei Anlagen unter 1 kV genügen zum Abdecken isolierende Tücher, Schläuche, Kunststoffabdeckungen etc. Auch dieser Teil kann bei fachgerechter Ausführung von Punkt 1 bis 3 bei Spannungen unter 1 kV Wechsel- oder 1,5 kV Gleichspannung vernachlässigt werden.

Bei Arbeiten in elektrischen Anlagen mit Spannungen über 1 kV können zusätzliche Abdeckungen mit speziell ausgeführten Isolationsmatten erfolgen, welche im Bereich der Mittelspannung hinreichenden Berührungsschutz zu benachbarten Anlagenteilen bieten. Je nach Situation ist entsprechende anliegende Arbeitskleidung zu tragen. Zusätzliche Warntafeln, Seile oder Absperreinrichtungen können in Anlagen mit Hoch- und Höchstspannung erforderlich sein, welche den genauen und sicheren Arbeitsbereich sichtbar eingrenzen und der nicht verlassen werden darf. In speziellen Fällen, wie räumlich beengten Verhältnissen, kann der zusätzliche Einsatz einer nicht direkt an den Arbeiten beteiligten Kontrollperson nötig sein, welche die Einhaltung der Sicherheitsabstände während der Arbeiten laufend kontrolliert und auf Unachtsamkeiten hinweisen kann.

Maßnahmen vor dem Wiedereinschalten

  • Werkzeug und Hilfsmittel entfernen
  • Gefahrenbereich verlassen
  • Kurzschließung und Erdung zuerst an der Arbeitsstelle, danach an den übrigen Stellen aufheben
  • Erdungsseil zuerst von den Anlagenteilen, danach von der Erde heben
  • Anlagenteile und Leitungen ohne Erdungsseil (sofern zuvor vorhanden) dürfen nicht mehr berührt werden
  • Entfernte Schutzverkleidungen und Sicherheitsschilder wieder anbringen
  • Schutzmaßnahmen an den Schaltstellen erst nach Freimeldung von den Arbeitsstellen aufheben
  • Bei Arbeiten mit mehreren Mitarbeitern ist sicherzustellen, dass keiner sich mehr im Gefahrenbereich aufhält.

Länderspezifische Details

Deutschland

In Deutschland sind dies die Fünf Sicherheitsregeln, welche nach Normenreihe DIN VDE 0105 wie folgt zusammengefasst sind:

  1. Freischalten
  2. Gegen Wiedereinschalten sichern
  3. Spannungsfreiheit allpolig feststellen
  4. Erden und kurzschließen
  5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Diese fünf Sicherheitsregeln sollen vor den Arbeiten an elektrischen Anlagen in der oben genannten Reihenfolge angewandt werden. Nach den Arbeiten werden sie in der umgekehrten Reihenfolge wieder aufgehoben.

Diese Regeln werden bei jeder Elektrofachkraft als bekannt vorausgesetzt. Die meisten gemeldeten Unfälle entstehen in Deutschland durch Nichtbeachtung der Regeln 1 (23,7 %), 3 (12,5 %) und 5 (8,8 %).

Das Feststellen der Spannungsfreiheit in Niederspannungsnetzen (elektrische Anlagen mit Betriebsspannungen bis 1 kV Wechsel- oder 1,5 kV Gleichspannung) darf nur eine Elektrofachkraft oder eine Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFffT) durchführen. Bei Hochspannungsanlagen mit Betriebsspannungen größer 1 kV darf die Spannungsfreiheit nur durch eine Elektrofachkraft festgestellt werden.

Besondere technische und organisatorische Maßnahmen sind in der Regel bei Arbeiten unter Spannung nicht erforderlich, wenn folgende Bedingungen gegeben sind:

  • sowohl die Spannung zwischen den aktiven Teilen als auch die Spannung zwischen aktiven Teilen und Erde nicht höher als 50 V Wechselspannung oder 120 V Gleichspannung ist (SELV oder PELV); oder
  • der Kurzschlussstrom an der Arbeitsstelle höchstens 3 mA Wechselstrom (Effektivwert) oder 12 mA Gleichstrom beträgt; oder
  • die Energie nicht mehr als 350 mJ beträgt; oder
  • die Stromkreise nach DIN EN 60079-14 (VDE 0165- 1) und DIN EN 61241-14 (VDE 0165-2) eigensicher errichtet sind.

Schaltsprache/Schaltgespräch

Die sogenannte Schaltsprache vereinheitlicht Begriffe und Bezeichnungen innerhalb eines „Netz“bereiches. Hierin ist klar geregelt, was gemeint und was auszuführen ist; es gilt eine einheitliche Schaltsprache, und es gelten einheitliche Begriffe in einem Schaltgespräch bzw. einer schriftlichen Durchführungs- und Aufhebungsanweisung. Dies dient der Vermeidung von Verwechslungen und damit der Vorbeugung gegen Elektrounfälle.

Auf dem Gebiet der neuen Bundesländer gelten meist die Allgemeine Dienstanweisung Kraftwerksbetrieb (ADK) und die NNÜ [früher: Allgemeine Dienstanweisung Netzbetriebe (ADN)]. Im Bereich der alten Bundesländer gilt solches nicht, hier hat jeder Netz- bzw. Kraftwerksbetreiber sein eigenes Schaltregime. Zum Beispiel wird in den ADK und NNÜ (früher ADN) strikt zwischen zwei Arten von Erdungs- und Kurzschließmaßnahmen unterschieden: freimeldebereit „fmb“ (d. h. an den Schaltstellen geerdet) und freigabebereit „fgb“ (zusätzlich auch an den Arbeitsstellen geerdet – sichtbare Erde).

Zweites Beispiel: Ein Trenner wird entweder geschlossen oder geöffnet, und ein Leistungsschalter wird eingeschaltet oder ausgeschaltet.

Drittes Beispiel: Im „Gebiet“ der ADK/NNÜ müssen Schaltbefehle und -kommandos wiederholt werden.

Quelle: Wikipedia